Cannes 2022 ging mit tollen Preisen und noch tolleren Filmen zu Ende.
Von Matthias Greuling
Mit der schwarzen Komödie „Triangle of Sadness“ gewann der Schwede Ruben Östlund heuer in Cannes seine bereits zweite Goldene Palme. Das ist erst neun Regisseuren gelungen, darunter zuletzt Michael Haneke im Jahr 2012. Bereits 2017 war Östlund für seinen letzten Spielfilm „The Square“ damit ausgezeichnet worden. „Triangle of Sadness“ ist plakatives, zugespitztes Kino in Form einer scharfen Satire auf das Mode-Business. Im Mittelpunkt steht ein berühmtes Model-Paar, das zu einer Luxuskreuzfahrt für die Ultrareichen eingeladen wird. Als die Yacht nach einem Angriff von Piraten sinkt, können sich nur eine Handvoll Gäste und Crewmitglieder auf eine einsame Insel retten. Die Rollen der Überlebenden kehren sich plötzlich ins Gegenteil. "Unser Ziel war, einen unterhaltsamen Film zu machen, über den man danach auch spricht. Er sollte unser Publikum erfreuen und fordern. Das ist die große Magie des Kinos", sagte Östlund in Cannes.
Beim wichtigsten Filmfestival der Welt, das heuer seinen 75. Geburtstag feierte, gab es aber auch noch ganz andere Filme zu sehen. Ein Biopic über Elvis Presley zum Beispiel, das Ende Juni in den Kinos startet. Bei der Premiere in Cannes war richtig was los: Wenn jemand wie Elvis Presley als Thema zu einem Kinofilm auserwählt wird, dann nimmt man dafür lieber einen Regisseur vom Format eines Baz Luhrmann her. Der hat schon 2001 bewiesen, wie man großes Kino macht: „Moulin Rouge“ eröffnete damals die Filmfestspiele von Cannes, und der rote Teppich bebte.
Das ist 2022 nicht viel anders, als die Crew und der Cast des Biopics „Elvis“ auf dem roten Teppich von Cannes zu den Klängen von „Jailhouse Rock“ einliefen. Der Film, der den Seriendarsteller Austin Butler in der Rolle von Elvis Presley zeigt, zog zahllose Prominente an: Auf dem Premierenparkett waren unter anderem Tom Hanks (er spielt Elvis‘ Manager), Sängerin Shakira, Sänger Ricky Martin (mit seinem Ehemann Jwan Yosef), die Song-Contest-Gewinner Maneskin, Popstar Kylie Minogue oder Elvis-Witwe Priscilla Presley zugegen. Und das unter dem Gekreische unzähliger Fans.
„Elvis“ ist ein Film der Superlativen, der den Aufstieg von Elvis Presley nachzeichnet und dabei nicht mit bildgewaltigen Einstellungen geizt. Elvis ist bei seinem ersten Auftritt noch nicht der King und wird belächelt. Aber von den ersten Konzerten an elektrisieren seine Energie und der erotische Hüftschwung das junge Publikum. Die Frauen geraten in Panik, die Puritaner sind beleidigt. Elvis ist der Musiker, der in Baz Luhrmanns Film das konservative Amerika aufrüttelt. Der Film zieht sein Konzept bis zum Ende durch: Eine Mega-Show mit dem King und seinen besten Songs.
Cannes ist immer dann am stärksten, wenn es die Stars und die Filmkunst gleichermaßen anzieht. Das ist im ersten Festival, das nach der Pandemie wieder unter halbwegs normalen Bedingungen verlief, nicht anders. Und so fanden Top-Stars wie Tom Cruise ebenso hierher wie Filmkunst-Größen wie Claire Denis, David Cronenberg oder die Dardenne-Brüder aus Belgien.
Ein bisschen mischt sich Unterhaltung und Kunst im Siegerfilm 2022: Denn Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ folgt dem Konzept, ernste Themen konsumierbar zu machen. Oder, wie es Östlund selbst ausdrückt: „Mein Motto ist: Erzähle von den gewichtigen Themen, aber so, dass die Leute draufklicken würden. Ich bringe die Leute also an attraktive Plätze – ins Ski-Gebiet, in die Galerie, auf die Super-Yacht – und setze ihnen dann Fragen vor, wie wir mit Verantwortung umgehen und woran es in unserer Gesellschaft krankt“. Das ist dem Schweden ganz vortrefflich gelungen.