Sam Mendes hat sein Weltkriegsdrama „1917“ so gedreht, dass der rasante Film aussieht, als hätte er keinen einzigen Schnitt.
Es geht ums nackte Überleben: Der Erste Weltkrieg tobt anno 1917 seinem grausamen Höhepunkt entgegen. Im Norden Frankreichs belagern sich deutsche und britische Einheiten in ihren lehmigen Schützengräben, es herrscht Stillstand, denn die Front bewegt sich nicht und die Moral der Truppen schwindet.
In dieser Lage müssen die britischen Soldaten Schofield (George MacKay) und Blake (Dean-Charles Chapman) auf Befehl ihres Vorgesetzten General Erinmore (Colin Firth) das ausgebombte Niemandsland zwischen den deutschen und den britischen Schützengräben durchqueren, um eine wichtige Nachricht an ein anderes britisches Bataillon zu überbringen, und es vor einem deutschen Hinterhalt zu warnen. Das Leben von mehr als 1500 britischen Soldaten liegt in den Händen dieser beiden Soldaten.
Sam Mendes hat einen Film über den Ersten Weltkrieg gedreht, wie ihn noch nie zuvor jemand gemacht hat: Der Film bleibt seinen Protagonisten stets dicht auf den Fersen und scheint in einer einzigen Einstellung gedreht, sodass der Zuschauer in den Schützengraben mitgenommen wird, rein ins Bombengetöse, in das Artilleriefeuer und zu den Dutzenden Leichen, die allerorts herumliegen. Eine unglaubliche Filmerfahrung! Diese Leistung wurde vollkommen zurecht mit drei Oscars® gewürdigt.
Tatsächlich ist der Film natürlich nicht bloß in einem Take entstanden. „Das wäre bei dieser komplexen Geschichte schwer möglich“, erzählt Regisseur Sam Mendes. Er hat schon Erfahrung mit Kriegsfilmen, stammt doch auch der Film „Jarhead - Willkommen im Dreck“ (2005) von ihm. Das Prinzip bei „1917“ war, die Schnitte zwischen den Szenen „unsichtbar“ zu machen, also etwa in genau dem Moment zu schneiden, wenn die Kamera einmal durch einen dunklen oder schwarzen Bereich der Schützengräben schwenkt oder wenn Soldaten sich ganz dicht vor der Kamera vorbeibewegen. Eine ähnliche Technik wandte zuallererst Alfred Hitchcock in seinem Krimi „Cocktail für eine Leiche“ im Jahr 1948 an, zuletzt waren diese Tricks bei Alejandro González Iñárritus „Birdman“ zu sehen. Oder besser: Eben nicht zu sehen.
Für Mendes hat „1917“ auch einen sehr persönlichen Hintergrund. Die Geschichte, die erzählt wird, basiert nämlich auf Erzählungen, die ihm sein Großvater dereinst unterbreitete. „Ich war damals vielleicht elf oder zwölf, und mein Opa gut 80 Jahre alt“, erinnert sich Mendes. „Ich hatte das richtige Alter für solche Geschichten. Es war auch keine Heldenstory, die mir mein Opa da auftischte. Sondern er erzählte, welches große Glück es wäre, dass er noch am Leben sei. Denn sein Kamerad im Schützengraben wurde von einem Geschoss völlig zerfetzt, als er gerade neben ihm stand. Das Leben dieser Soldaten hing stets am seidenen Faden.“
Der Grund, weshalb Mendes versucht hat, den Film aussehen zu lassen, als gäbe es keinen Schnitt, ist ein dramaturgischer: „Ich wollte zeigen, dass der Krieg niemals stillsteht, sondern immer weiter läuft, man kann es sich nicht erlauben, einen Moment innezuhalten“, sagt Mendes. „Niemand wusste, was hinter der nächste Ecke lauert oder im nächsten Graben. Man war immer alarmiert. Deshalb habe ich versucht, die gesamte Grausamkeit des Krieges zu zeigen, möglichst authentisch und in einem Stück“.