Er war einer der Köpfe der Nouvelle Vague: Am 6. Februar wäre Francois Truffaut 90 Jahre alt geworden.
Truffaut und seine Buddies Claude Chabrol, Jacques Rivette, Eric Rohmer und Jean-Luc Godard arbeiteten allesamt für die französische Filmzeitschrift „Cahier du Cinéma“, von wo sie als Journalisten und später Filmregisseure die Filmwelt revolutionierten: Sie begründeten Ende der 1950er Jahre die Nouvelle Vague, eine Strömung, die das etablierte Filmemachen auf den Kopf stellte und die Filmwelt nachhaltig verändern sollte: Plötzlich waren unkonventionelle Methoden, Jump-Cuts, dramaturgische Kniffe und das Aufbrechen eingefahrener Erzählpfade passé - und das Filmschaffen betrat damals die Bühne der Künste. Bis heute wirken die Ideen der Nouvelle Vague nach. Truffaut, 1984 im Alter von nur 52 Jahren an den Folgen eines Hirntumors verstorben, hätte am 6. Februar seinen 90er gefeiert. Grund genug, einige seiner Schlüsselwerke kurz vorzustellen:
Sie küssten und sie schlugen ihn (Les quatre cents coups, 1959):
Ein Frühwerk der Nouvelle Vague, im gleichen Jahr erschienen wie Godards „Außer Atem“ (zu dem Truffaut auch das Script schrieb): Es ist der Auftakt zu Truffauts Antoine-Doinel-Serie, eine Art semiautobiografische Erzählung seiner eigenen Kindheit, in typisch-wackeligen Schwarzweiß-Bildern eingefangen und mit viel Verve inszeniert. Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud, der die Figur in vier weiteren Filmen spielte) ist ein junger Bub, der - unverstanden von den Eltern - seine Zeit lieber im Kino verbringt anstatt in der Schule. Er will abhauen, sowohl von den Eltern als auch von der Schule. Der Film erhielt zahllose Auszeichungen, unter anderem den Regiepreis für Truffaut in Cannes. Das Script wurde oscarnominiert.
Schießen Sie auf den Pianisten (Tirez sur le pianiste, 1960):
Die Nouvelle Vague liebte auch das Genre des Kriminalfilms, so wie in diesem Fall: Charlie (Charles Aznavour) ist ein ehemaliger klassischer Pianist, der seinen Namen geändert hat und jetzt Jazz in einer schmuddeligen Bar in Paris spielt. Als Charlies Brüder Richard (Jean-Jacques Aslanian) und Chico (Albert Remy) auftauchen und Charlie um Hilfe bitten, während sie vor Gangstern fliehen, die sie betrogen haben, hilft er ihnen bei der Flucht. Bald geraten Charlie und Lena (Marie Dubois), eine Kellnerin in derselben Bar, in Schwierigkeiten, als die Gangster (Claude Mansard, Daniel Boulanger) auf der Suche nach seinen Brüdern eintreffen. Truffaut bezeichnete den Film nicht als Krimi, sondern als „Dokumentarfilm über die Schüchternheit“.
Jules und Jim (Jules et Jim, 1962):
Österreichs Oskar Werner und Frankreichs Jeanne Moreau in dem Liebesfilmklassiker der Nouvelle Vague schlechthin: In den unbeschwerten Tagen vor dem Ersten Weltkrieg freundet sich der introvertierte österreichische Autor Jules (Werner) mit dem Franzosen Jim (Henri Serre) an. Beide Männer verlieben sich in die wankelmütige und schöne Catherine (Jeanne Moreau), aber es ist Jules, den sie erwählt. Nach dem Krieg besucht Jim Jules, Catherine und ihre Tochter in ihrer österreichischen Heimat und stellt fest, dass seine Gefühle für Catherine nicht nur unverändert sind, sondern auch erwidert werden. Es entspinnt sich eine Dreiecksgeschichte.
Die süße Haut (La peau douce, 1964):
Eine Liebe und ein Betrug in Schwarzweiß, und Truffauts Abschied vom Stil der Nouvelle Vague: In „Die süße Haut“ erzählt der Regisseur von einer leidenschaftlichen Affäre, die im Lichte der Realität zerschellt. Auf einem Flug nach Lissabon trifft der Schriftsteller Pierre Lachenay (Jean Desailly) auf die Flugbegleiterin Nicole (Françoise Dorléac) und verbringt schließlich die Nacht mit ihr. Was als One-Night-Stand beginnt, wird zu einer leidenschaftlichen außerehelichen Affäre, als er mit seiner Frau (Nelly Benedetti) und seinen Kindern nach Paris zurückkehrt. Pierre versucht, die Affäre geheim zu halten, aber das klappt nicht. Françoise Dorléac war übrigens die Schwester von Cathérine Deneuve, die drei Jahre nach den Dreharbeiten zum Film bei einem Autounfall tödlich verunglückte, als sie unterwegs zum Flughafen in Nizza aus Angst, ihren Flug zu verpassen, ihr Auto in die Leitplanken steuerte und im brennenden Fahrzeug verbrannte.
Fahrenheit 451 (1966):
Die dystopische Geschichte von Ray Bradburry von 1953 ist Vorlage für Truffauts zweite Zusammenarbeit mit Oskar Werner: Der spielt in „Fahrenheit 451“ den Feuerwehrmann Guy Montag, der in einem tyrannischen Staat damit beauftragt ist, Menschen auszuforschen, die Bücher lesen. Das gilt dort nämlich als schweres Verbrechen. Zunächst ist Montag scheinbar kritiklos in diesem System integriert, heimlich hat er jedoch einige gestohlene Bücher in seinem Haus versteckt. Durch die 17-jährige Clarisse lernt er die Kunst der Worte, den Wert freien Denkens und die Schönheit der Natur kennen und lehnt sich gegen das System auf. Die Filme „Equilibrium“ (2002) mit Christian Bale und „The Book of Eli“ (2010) mit Denzel Washington basieren ebenfalls auf Bradburrys Romanvorlage.
La nuit américaine (1973):
„Die amerikanische Nacht“ - so nannten man im Fachjargon die Drehweise von Filmen, die in der Nacht spielten, aber am Tag gedreht wurden, indem man einfach die Blende der Kamera so weit verkleinerte, dass der Eindruck entstand, die Bilder wären unterbelichtet und also in der Nacht aufgenommen. Der Film ist Truffauts Liebeserklärung an die (US-amerikanische) Filmindustrie und erzählt von einem Film im Film: Ein Filmregisseur (François Truffaut) versucht, seinen Film fertigzustellen, während er die realen Dramen im Leben seiner Schauspieler mitbekommt. Die verblassende Ikone Severine (Valentina Cortese) vergisst ihren Text, wenn sie trinkt, während ihr Co-Star Alexandre (Jean-Pierre Aumont) auf die bevorstehende Ankunft seines Geliebten wartet. Währenddessen hat der unsichere Jungstar Alphonse (Jean-Pierre Léaud) emotionale Ausbrüche, wirkt aber im Vergleich zu Julie (Jacqueline Bisset), einer britischen Schauspielerin, die sich von einem Nervenzusammenbruch erholt, ausgeglichen. Einer der großartigsten Filme über das Filmemachen!
Le dernier métro (1980):
Ein Spätwerk Truffauts, mit dem jungen Gérard Depardieu und Cathérine Deneuve: Als die Nazis 1940 Paris besetzen, versteckt sich der jüdische Theaterbesitzer Lucas Steiner (Heinz Bennent) im Keller und übergibt die Kontrolle über das Theater an seine nichtjüdische Frau Marion (Deneuve). Sie bringt ein neues Stück auf die Bühne und verschafft dem aufstrebenden Schauspieler Bernard Granger (Depardieu) eine Chance, indem sie ihm die Hauptrolle überträgt. Die beiden entwickeln bald Gefühle füreinander und sie ist zwischen den beiden Männern hin- und hergerissen. Aber das ist nicht das Ende der Komplikationen, sondern erst der Anfang. „Die letzte Metro“ war Truffauts erfolgreichste Produktion, was das Einspielergebnis anbelangt: Allein in Frankreich strömten 3,5 Millionen in die Kinos.