Die Schauspielerin feiert am 14. Dezember ihren 75. Geburtstag.
Von Matthias Greuling
Es sind vielleicht zehn Filme, wenn überhaupt. Zehn Filme von insgesamt über 90 in ihrer Filmografie, die Jane Birkin als wirklich gelungen empfindet. Mit dabei sind jene drei, die sie mit Jacques Rivette gedreht hat, natürlich „Blow Up“ (1966) von Antonioni, mit dem sie berühmt wurde, aber auch „La fille prodigue“ (1981) von Jacques Doillon, mit dem Birkin eine gemeinsame Tochter, die Sängerin Lou Doillon hat. Auch Charlotte Gainsbourg ist eine ihrer Töchter, sie entstammt ihrer Beziehung mit Serge Gainsbourg, die elf Jahre hielt und während der Jane unzählige Lieder aufnahm, darunter das bekannteste des Duos, „Je t’aime… moi non plus“. Ihre älteste Tochter, die Fotografin Kate Berry - aus Birkins Ehe mit dem Komponisten John Barry - starb 2013 nach einem Fenstersturz aus ihrer Wohnung im vierten Stock. Selbstmord-Spekulationen stehen bis heute im Raum.
Im Dezember 2021 wird Jane Birkin 75 Jahre alt, sie ist eine vom Schicksal gezeichnete Frau, aber sie strahlt großen Optimismus aus, Gefühl und Freude, viel Güte, und auch Schmerz. Im Gespräch holt sie weit aus, wenn es darum geht, alte Erinnerungen zu teilen. Die Chansons, die Filme, und der ganze Stolz: Die Töchter. „Charlotte ist eine Schauspielerin durch und durch, sie würde alles wagen vor der Kamera“, sagt sie. „Ich kenne niemanden, der derart weit für seine Kunst gehen würde“. Gemeint sind damit unter anderem die drei fordernden Auftritte von Gainsbourg in Lars von Triers Filmen.
„Was Charlotte im Film ist, ist Lou in der Musik. Sie investiert ihre ganze Kraft da hinein. Und auch Kate war so energisch in der Fotografie. Sie war ein großes Talent, denn in ihren Bildern holte sie das Innerste aus den Menschen heraus, die sie fotografierte“.
Jane Birkin hat den Tod ihrer Tochter nicht überwunden, das kann man sehen. Aber sie lebt weiter, weil es gar nicht anders geht. Vor ein paar Jahren hat man ihr in Locarno den Goldenen Ehrenleoparden fürs Lebenswerk überreicht, und das hat immer den Beigeschmack eines Abschieds, so, als wäre der Künstler schon fertig mit dem, was er zu sagen hat. „Ich sehe das anders“, sagt Jane Birkin. „Denn schließlich war das mein erster Preis überhaupt“. Der erste Preis? Das kann nicht sein. „Doch, das ist so. Es sei denn, ich habe etwas Entscheidendes vergessen“.
Wir recherchieren nach, und es stimmt: Drei Mal war sie für den César nominiert, das französische Pendant zum Oscar, aber geklappt hat es nie. Dafür hat Tochter Charlotte diesen Preis schon zwei Mal gewonnen. Und den Schauspielerpreis in Cannes, für Lars von Triers „Antichrist“. „Was für ein Talent sie ist! In dem Film musste sie ihrem Mann einen Schraubstock durch die Wade drehen und sein bestes Stück misshandeln. Eine fordernde Rolle“, scherzt sie voller Stolz für ihre Tochter.
So viel Lob Jane Birkin für ihre Kinder übrig hat, so viel Selbstkritik gibt es auch: „Ich kann mich selbst nie auf der Leinwand anschauen. Einerseits, weil ich meine Stimme beim Sprechen nicht hören will, andererseits, weil ich ständig nur die Fehler sehe“, sagt Birkin. So kam es, dass sie kaum eine Filmpremiere in ihrem Leben wirklich durchgesessen hat. „Mir fehlte immer schon der Mut, mich selbst anzusehen. Ich bin auf die Bühne, habe die Leute begrüßt und bin dann wieder hinten raus“. Sich selbst nicht ansehen zu können, eine Berufskrankheit von Schauspielern? „Ja, das glaube ich schon“, sagt Jane Birkin. „Aber ganz abgesehen davon: Niemand sitzt eine Premiere durch. Man geht nach der Begrüßung. Unter uns gesagt: Das machen alle Schauspieler so“.